Futterbelohnung – oder der ewige Streit um die eigene Kompetenz

„Der macht das ja nur weil ich Futter in der Hand habe!“ – einer der Standardsätze, die oft im Training fallen.

Ja, generell ist es nicht richtig, wenn Dein Hund ein gewünschtes Verhalten nur dann zeigt, wenn Du ihm das Futter vor die Nase hältst. Aber es kommt auch, wie so oft im Leben, eben auf die Feinheiten der Situationsbeurteilung an.

Hast Du z. B. einen Welpen, der noch gar nicht wissen kann, was die Vokabel „Sitz“ bedeutet? Ja, dann habe ich erst einmal Futter in der Hand und locke ihn mit diesem Futter in die Sitzposition, um erst dann, wenn der Po des Hundes auf dem Boden ist, die Vokabel „Sitz“ zu sagen und den Hund anschließend mit dem Futter aus der Hand zu belohnen.
Soweit so gut. Wenn ich diese Vorgehensweise allerdings niemals verändere und der Welpe eben keiner mehr ist und ich seit 2 Jahren immer Futter in die Hand nehmen muss, damit mein Hund sich setzt, DANN habe ich im Training für das Kommando „Sitz“ etwas falsch gemacht.

Idealerweise durchläuft man mit seinem Hund beim Einüben einer gewünschten Verhaltensweise drei Phasen: (Erklärt am Beispiel „Sitz“)

Phase 1: Locken

Wenn der Hund noch gar keinen Schimmer hat, was wir von ihm wollen, wenn wir „Sitz“ sagen, dann helfen wir dem Hund zuerst in die gewünschte Position. Und nein, das machen wir nicht, in dem wir den Po einfach auf den Boden drücken – unser Hund darf sein hübsches Köpfchen gerne selbst anstrengen – also hält man ihm eine schmackhafte Kleinigkeit vor die Nase und führt die Hand dann erst ein wenig nach oben und dann etwas über den Kopf des Hundes. Der Hund folgt idealerweise mit seinem Blick der Futterhand, nimmt also den Kopf in den Nacken und irgendwann ist es für ihn einfach bequemer, wenn er den Po auf den Boden nimmt und er setzt sich. In diesem Moment sagen wir unser Kommando „Sitz“ und belohnen den Hund anschließend mit dem Leckerchen aus der Hand.
Dies wiederholen wir im Training an unterschiedlichen Orten, auf unterschiedlichen Untergründen, zu unterschiedlichen Zeiten und mit variierenden Ablenkungen, denn Hunde können nicht so gut wie wir Menschen generalisieren. Wir Menschen wissen, dass ein „Setz Dich hin“ in der Küche, das gleiche Signal ist, wie ein „Setz Dich hin“ im Wohnzimmer. Unser Hund tut sich damit nicht so leicht.

Phase 2: Immer-Bestätigung

Erst wenn wir 5 Euro darauf verwetten, dass,  wenn wir „Sitz“ sagen, der Hund auch zuverlässig den Po auf den Boden nimmt, dann haben wir vorher kein Futter mehr in der Hand, aber wir belohnen noch JEDE Ausführung unseres Kommandos. Wirklich JEDE, denn die Generalisierung ist noch längst nicht abgeschlossen. Je öfter wir das gewünschte Verhalten unseres Hundes belohnen, desto häufiger wird er dieses Verhalten zeigen. Doch es ist wichtig, bei fortschreitendem Training in die Phase 3 überzugehen.

Phase 3: Variable-Bestätigung

Meine erwachsenen Hunde bekommen längst nicht mehr für jedes „Sitz“ ein Leckerchen – für ein „Sitz“ in der Nähe eines Kaninchens jedoch das sprichwörtliche „Halbe Schwein mit Sahne“.
Wir werden also mit unseren Anforderungen an eine Futterbelohnung anspruchsvoller. Um beim Beispiel „Sitz“ zu bleiben: Dann gibt es die Futterbelohnung nur noch für ein besonders schnelles Sitz oder für ein Sitz unter großen Ablenkungen. Was sich unser Hund jedoch IMMER verdient hat, wenn er etwas tut, was wir von ihm möchten, ist ein positives Feedback mit unserer Stimme und mit unserer Stimmung. Ein „So ist es richtig“ hat noch niemandem weh getan.
Warum ist es so wichtig, von der Immer-Bestätigung zur Variablen-Bestätigung überzugehen?
Das erkläre ich gerne an folgender Geschichte:

Stell Dir bitte einmal vor, Du hast zuhause ein rotes Telefon, welches einmal am Tag klingelt und wenn Du das Gespräch annimmst, dann hast Du automatisch 1.000 Euro gewonnen. Dieses Telefon klingelt wirklich täglich und die 1.000 Euro werden Dir auch jedes Mal zuverlässig auf Dein Konto überwiesen. Hier sprechen wir also von der Immer-Bestätigung. Deine Annahme des Gespräches wird IMMER belohnt.

Es wird der Zeitpunkt kommen, auch wenn Du Dir das vielleicht gerade nicht wirklich vorstellen kannst, da hast Du genug Geld auf dem Konto. Das rote Telefon liegt gerade in der Küche und Du sitzt gemütlich auf dem Sofa und der „Tatort“ ist gerade megaspannend – dann klingelt das Telefon, das ja in der Küche liegt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Du dann eben NICHT aufstehen wirst und zum Telefon gehen wirst, weil Du ja genau weißt, dass es morgen eh wieder klingelt und Du jetzt lieber wissen möchtest, wer denn im „Tatort“ nun der Mörder ist.

Hier decken wir also das Defizit der Immer-Bestätigung auf – die war nötig, um uns erstmal bei der Stange zu halten und immer schön brav an das Telefon zu gehen, jedoch irgendwann ist unser Bedarf gedeckt und wir nehmen die Sache nicht mehr soooooo ernst.

Darum ist es so wichtig, das Bestätigungsmuster irgendwann zu ändern! Wenn wir einmal bei unserem roten Telefon bleiben. Erst haben wir IMMER 1.000 Euro bekommen, wenn wir das Gespräch angenommen haben und urplötzlich klingelt das Telefon zwar noch immer täglich, aber wir wissen nicht genau OB wir 1.000 Euro gewonnen haben. Mal gewinnen wir mehrere Tage hintereinander, mal nur jeden zweiten Tag und mal ein paar Tage hintereinander gar nichts. Und dann gewinnen wir auch nur noch, wenn das Telefon maximal zwei Mal geklingelt hat.

Ihr werdet mir vielleicht zustimmen, wenn ich sage, dass wir viel länger dieses Telefon im Auge behalten werden und wir werden das Gespräch viel schneller annehmen, um an das versprochene Geld zu kommen?
Hier haben wir also einen klassischen Fall von variabler Bestätigung.

Und nun können wir wieder den Bogen zurück zu unserem Hund schlagen. Wenn wir unseren Hund immer gleich belohnen – hier spreche ich von dem Zeitpunkt der Belohnung – dann wird die Belohnung nicht mehr so reizvoll. Es wird ggf. Wichtigeres geben, als unser Signal zu befolgen, denn der Hund weiß ja schon, dass es beim nächsten „Sitz“ wieder eine Belohnung gibt, also kann er doch diesmal erst dem Kaninchen hinterherrennen, dass Leckerchen ist ihm ja für sein nächstes „Sitz“ sicher.

Wenn Dein Hund aber in ca. 80% der Fälle Dein „Sitz“-Kommando befolgt, dann ist es sehr wichtig, zur variablen Bestätigung über zu gehen. Das bedeutet, Du belohnst nur noch ein besonders schnelles Sitz oder ein Sitz unter starker Ablenkung. Du machst Deine Belohnung somit wertvoller.

Hinzu kommt noch, dass wir eben beginnen, das Futter nicht mehr schon vor dem eigentlichen Kommando in die Hand zu nehmen – sondern erst dann zur Tasche zu greifen, wenn der Hund das Kommando befolgt hat. Achte bitte von Anfang an darauf, eine Übung nicht erst mehrere Male ohne Futter in der Hand zu versuchen, um dem Hund dann mit dem Griff in die Leckerchentasche zu helfen.

Du bringst Deinem Hund dann zuverlässig bei, dass er sich nur lange genug „dumm anstellen muss“ um Dich dazu zu bringen, das Leckerchen aus der Tasche zu holen.

Im Laufe des Trainings wird uns diese Situation aber immer wieder begegnen – wir verlangen vom Hund ein Kommando, von dem wir glauben, dass er das schon kann und der Hund befolgt es nicht. Wir versuchen es wieder und es klappt immer noch nicht.
Das ist kein Drama – wir brechen die Übung ab, gehen mit dem Hund ein paar Schritte und starten die Übung von Neuem – aber diesmal von Beginn an mit der Futterhilfe.

Anschließend können wir wieder Stück für Stück die Schwierigkeiten unserer Übung steigern.
Du siehst also, die Futterbelohnung generell zu verteufeln ist ebenso unklug, wie den Hund dazu zu erziehen, dass er ausschließlich arbeitet, wenn der Mensch Futter in der Hand hat.

Der goldene Weg liegt hier wieder einmal in der Mitte. Unsere Hunde sind hochintelligente Lebewesen, dennoch sind sie Tiere, die einen Instinkt haben und warum machen wir uns den Instinkt des Tieres, dass Futter nun einmal überlebenswichtig ist, nicht einfach im Training zu Nutze. Wir behandeln dann unseren Hund nicht wie einen Menschen auf vier Pfoten, sondern wie das, was er ist – einen Hund – und somit artgerecht.